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White Wolfs Legende

 

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 Deine Ankunft
Eric J. Offline


Administrator
Mensch/Todesritter


Beiträge: 96

21.11.2004 13:50
Flucht vor der Vergangenheit Thread geschlossen

Eric stand an der Reling und blickte hinaus auf das Meer. Es war kalt und feiner Schnee fiel ihm ins Gesicht. Eric liebte das Meer. Dort war er aufgewachsen, hatte unzählige schöne Stunden verbracht in jenem azurgrünen Wasser unter einer heissen Sonne... Aber hier war das anders. Es war kalt! Das Meer war dunkel und nichts erinnerte mehr an die vergangene Zeit, so als wäre sie nicht nur einfach vorbei, sondern gar nicht mehr existent.

Ein schwerer Atemzug hob seine Schultern, bis er sie wieder schwermütig sinken liess. Es war eigenartig, aber obgleich er sich nun wieder erinnerte und er dieses grausame Bild seiner sterbenden Schwester vor Augen hatte, lag noch immer ein Schleier über diesen Erinnerungen. Aber es war nicht der Nebelschleier, den Ladarad ihn ihm gesät hatte, nein, es war der fahle Schleier der Liebe, der sich einfach nicht leugnen liess. So sehr er die Vampire und jede andere Kreatur der Nacht auch hasste, nun, da er sich an den Mord seiner Familie wieder erinnerte, so sehr erinnerte er sich aber auch an das Gefühl der Leidenschaft, die ihn mit Ladard verbunden hatte. Und dieses Gefühl löste einen wahnsinnigen Schmerz in ihm aus, der ihm die Tränen in die Augen trieb.

Eric war froh darüber, dass der feine Schnee sich mit seinen Tränen mischte und sie so unsichtbar machte.
Sein Blick fiel auf das kleine Fährhäuschen. Am Ruder stand eine Kreatur, die er ohneweiters als übernatürlich bezeichnen würde. Als er die Fähre betreten hatte, war der Blick des Fährmann auf ihn gefallen und hatte viel zu lange auf seinem Gesicht geruht, so als hätte er bereits erkannt, dass Eric kein unbescholtener Besucher Parisés war... Aber er hatte geschwiegen, hatte sich einfach an sein Steuer begeben und brachte nun schweigend die Fähre durch den Nebel.

Eric hatte nicht viel Gepäck dabei. Ein paar Kleidungsstücke, ein paar Erinnerungen und das Schwert, welches Ladard ihm überlassen hatte. Dieses einzigartige Schwert, dass von einem Vampir geschmiedet worden war, um es einem Vampir ins Herz zu rammen... Es war wahr. Ladard war anders! Er war nicht wie sie. Und Eric wusste auch, wieso er nicht so war.

Ein Vampir, der so alt war, wie Ladard, der die Ewigkeit bereits so viele Jahrhunderte durchstand, veränderte sich. Nicht äusserlich, nein, da blieb er stets der selbe, aber in seinem Herzen! Die Sehnsucht nach Wärme, nach Geborgenheit und ehrlicher Freundschaft wurde so unglaublich gross, dass es einem solchen Vampir unmöglich war, weiter zu existieren. Eric war sich sicher... auch Ladard würde eines Tages die Ewigkeit nicht mehr ertragen und den Tod suchen. Er hatte etwas getan, was kein Vampir sonst tat... er hatte einen Menschen geliebt und ihn sterblich gelassen! Und dies war das grösste Geschenk, was ein Vampir einem Menschen zu machen imstande war.

Eric begriff es jetzt, da er Samantha gesehen hatte, das Glühen in ihren Augen, mit denen sie sich geradezu nach dem Blut ihres Bruders gesehnt hatte und diese Reisszähne, mit denen sie schon unzählige Menschen getötet hatte. Sie hatte alles verloren, was sie einst war...
Erneut rann eine Träne sein Gesicht herunter und Eric wischte sie mit dem Handrücken davon. Verstohlen sah er sich um, und hoffte, dass es niemand gesehen hatte.

Aber die Menschen, die nach Parisé übersetzten, waren alle mit sich selbst beschäftigt. Niemand kümmerte sich hier um den anderen und möglicherweise war das auch gut so...

Eric atmete tief ein, als sie die Nebelwand endlich durchfahren hatten und er den Strand von Parisé sah. Das Taxi, welches er von der Fähre aus hatte rufen lassen, war bereits da und wartete auf ihn, um ihn in die Stadt zu bringen, jene, die fortan sein zu Hause sein sollte.
Eric war sich bis jetzt noch nicht sicher, wieso er Ladards Rat gefolgt war... Aber möglicherweise wussten sie beide, dass diese Stadt der sicherste Ort für Eric war, gerade wegen seiner mysteriösen Todesfälle, und wegen der seltsamen Vorkommnisse in einigen Stadtteilen Parisés. Er wurde gejagt, von Ian und seiner Schwester... er kannte das Geheimnis um die Geschöpfe der Nacht... aber niemals würde man ihn gerade dort vermuten, wo sie der Legende nach auferstanden waren.

Eric griff nach seiner Tasche und machte sich auf den Weg zum Taxi, als die Fähre angelegt hatte. Der Taxifahrer war ein älterer Mann, der in seinen Augen schon beinahe etwas Stumpfsinn besass, so als bemühte er sich längst nicht mehr, sich Dinge erklären zu wollen, die er nicht erklären konnte. Eric war froh darum, denn so gab es kein unnötiges Gespräch.

Noch nie zuvor hatte Ladard ihm von dieser Insel erzählt. Um so seltsamer erschien Eric dieser Ort. Sein Blick fiel auf den Militärflugplatz, der hinter einigen Bäumen und Sträuchern verborgen lag, die ihr Laub längst abgeworfen hatten und nun dicht bedeckt mit Schnee still vor ihm lagen und schliesslich auch auf die alte Fabrik, in der scheinbar schon seit Jahren niemand mehr arbeitete.
Er wusste nicht, was er fühlen sollte, beim Anblick jener stummen Erben der Vergangenheit, um die sich niemand mehr kümmerte, aber er gab sich auch keine Mühe, irgendetwas zu empfinden, denn vor ihm erschien das Ortschild von Parisé und dahinter lag eine in einer düsteren Schneewolke gehüllte Stadt, in der selbst bei Tage die Lichter entzündet waren... Nun, auf dem ersten Blick erschien ihm diese Stadt eher grau und langweilig... Vermutlich hatte er eine Stadt wie LA erwartet. Aber LA war einzigartig, wer hätte sie schon kopieren können?

Eric spürte, wie sich ein befremdliches Gefühl in ihm löste. Hier war er nicht zu Hause, selbst wenn er sich einredete, dass es nun so war. Und schon jetzt vermisste er die Sonne, den Strand und die hohen Wellen, in die er sich auf seinem Brett stürzte.

Aber nichts blieb, wie es war! Das war die erste Lektion, die das Leben ihn gelehrt hatte! Und damit musste er nun fertig werden, wenngleich es ihm auch noch so schwer fiel. Der Moment des Glückes würde immer nur einen Augenblick währen, bevor er endlich und für immer verging. Und mit diesem Gedanken betrachtete er sich aufmerksam die Strassen von Parisé...

Weiter bei: Ladards Geschenk...



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