Langsam glitt die Fähre durchs Wasser. Eine junge Frau, vom Sehen her kaum älter als 25, stand an der Reling und sah hinaus aufs Wasser. Auf dieses graue Etwas, das sich bewegte. Es war so grau, wie alles in der Nacht. Nichts hatte eine wirkliche Farbe. Selbst in den erleuchteten Zimmern erschienen diese Farben nicht wirklich. Sie waren vorher, als sie noch bei Tage durch die Welten wandelte, einfach anders.
Tracy warf kurz einen Blick über die Schulter nach hinten. Außer ihr war kaum jemand auf der Fähre. Es grenzte ja bereits an ein Wunder, dass die Fähre um diese Zeit überhaupt noch fuhr. Aber anscheinend war man hier daran gewöhnt, dass nachts noch jemand nach Parisé fahren wollte. Diese Kleinigkeit führte Tracy wieder vor Augen, was Noah ihr gesagt hatte. "Sie flüchten nach Parisé." Tracy hatte sie gesehen. Unsterbliche mit strengen oder verwirrten Gesichtern, die nur fort wollten. Fort von den Jägern, die sie verfolgten. Genau wie sie.
Ihr Blick glitt über den Rest der Fähre. Abgesehen von dem Fährmann befanden sich hier nur noch ein älter aussehender Mann und eine junge Frau, kaum älter als 30. Tracy drehte sich wieder dem Wasser zu. Wie viele wohl außer ihr flüchteten? Mitten in der Nacht und mit so gut wie keinem Gepäck.
Abgesehen von ein wenig Geld, das sich in einer Handtasche befand, hatte Tracy nichts, außer ihrer Kleidung, bei sich. Der Fährmann musste diese Fahrgäste gewohnt sein. Keine lästigen Fragen, keine verwunderte Blicke, keine unnötigen Komplikationen. Dieser Mann hatte wohl bereits gelernt, dass es manchmal besser war, einfach nichts zu sagen.
Tracy schloß für einen Moment die Augen und ließ sich den Fahrtwind um die Nase wehen. Ihre Haare flatterten im Wind und wurden ihr ins Gesicht geweht. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis sie ankommen würde. Doch was dann? Sie kannte diese Stadt nicht und ihr Lehrer war tot. Es gab jetzt niemanden mehr, der sie lehren konnte als Vampir zu leben. Sie war alleine und musste ihren Weg finden. Und das würde sie.
Mit einem optimistischen Lächeln auf den Lippen öffnete sie die Augen wieder und konnte bereits in der Ferne Land entdecken. Es war nah genug für die Augen Sterblicher. So lag es also vor ihr. Ebenso farblos, wie alles andere auch, doch in der Ferne waren ganz schwach bereits Lichter zu erkennen. Parisé... Beherberge nun einen weiteren geflüchteten Vampir... Wieder umspielte ein Lächeln Tracys Lippen. Kaum hörbar für die Ohren Sterblicher, sagte sie: Ein neues Leben beginnt.
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