Name
Latifa Rahel Zola
Alter
Latifa ist 19 Jahre alt.
Herkunft
Orléans, Frankreich
Rasse/ Gesinnung
Mensch/ Ehemalige Jägerin/ Einzelgänger
Aussehen
Feine, weiche Gesichtszüge, volle Lippen und große, katzenhaften Augen, schwärzer als die dunkelste Nacht und von einem fast schon unheimlichen, blau-silbernen Schimmer versehen, diese Merkmale fallen an Latifas Gesicht am schnellsten auf.
Mit ihren 1,75 ist sie zwar groß, doch noch lange kein Riese. Der schlanke, weibliche Körper lässt so manches menschliche Verlangen erwachen, was jedoch nicht immer ein Vorteil ist.
Ihr dunkelblondes langes Haar fällt lockig und ungezähmt über die zierlichen Schultern, wenn Latifa sie nicht gerade mit einer kunstvoll verzierten Haarnadel nach oben steckt. Diese hat sie auf einer ihrer Reisen erworben.
Ihr sonstiger Schmuck – wobei sie nicht jedes Stück permanent trägt - besteht aus kleinen silbernen Ohrsteckern oder Kreolen.
Außerdem trägt sie ein silbernes, reich verziertes Kreuz um den Hals und recht merkwürdigen Armschmuck. Von Weiten kann man ihre - äußerst elegant wirkenden - Schritte bereits durch die Ketten an ihren Springerstiefeln vernehmen.
An den Fingern glänzen ein dünner Silber-, sowie ein Giftring. Dieser lässt sich geräuschlos aufklappen.
Ihre Kleidung ist stets schwarz und schnell erkennt man, dass sie Samt bevorzugt. Bauchfreie Korsagen, lange Ärmel, weite Röcke und Kleider mit Kapuzen all dies sind die typischen Merkmale ihres Kleidungsstils.
Charakter
Stolz und Willensstärke, Latifa ist ein wahres Teufelsweib! Und ein Sturkopf dazu…
Fremden gegenüber ist sie sehr misstrauisch und verschlossen. Sie beobachtet Menschen zuerst, bevor sie sich auf diese einlässt. Dennoch besitzt sie großes Talent andere zu manipulieren und mit ein wenig weiblichem Charme um den Finger zu wickeln.
Harte Schale, weicher Kern, so kann man sie am ehesten beschreiben, denn ihre wahren Gefühle verbirgt sie stets unter einer undurchdringlichen Maske aus Stolz und Argwohn.
Doch hat sie erst einmal jemanden ins Herz geschlossen, so zeigt sie sich so herzlich wie sie ist. Manchmal geht sie dann auch aus sich heraus und so kommt - wenn auch selten - die temperamentvolle, lebenslustige junge Frau in ihr zum Vorschein.
Eigenarten
Ihre Sucht. Die Sucht nach Schmerz, in welchem Latifa seit ihrer Jugend Vergessen sucht. Noch heute verletzt sich das junge Mädchen selbst, wenn die Emotionen sie zu übermannen drohen. Der Gedanke an das Aufhören ist schon lange kein Thema mehr, denn geschafft hat sie es nie und wenn nur für kurze Zeit.
Latifa ist ein äußerst komplizierter Mensch, dessen Gefühlswelt nur schwer zu beschreiben ist. Von einem zum nächsten Moment können ihre Gefühle umschlagen, was Andere oftmals abschreckt.
Ansonsten ist die Neunzehnjährige ein – fast – ganz normales Mädchen. An Szeneläden kann sie nur schwer vorbeigehen und gibt meist nicht eher Ruhe, bis sie neuen Silberschmuck, Kleider, Röcke und Korsagen in ihren Schrank stopfen kann.
Bei Nervosität spielt sie gerne mit ihren Ringen. Das Auf- und Zuklappen des Giftringes beruhigt sie ungemein.
Schwächen
Latifa ist körperlich nicht wirklich stark und wäre ohne Waffen wohl völlig aufgeschmissen. Von daher muss sie sich eher auf Schnelligkeit verlassen, was der Neunzehnjährigen jedoch ein Dorn im Auge ist. Sie will sich wehren können! Zeigen, was sie zu Stande bringen kann … und doch ist sie ohne Hilfe dazu nicht in der Lage. Welche Schmach!
Im Großen und Ganzen ist Latifas Schwäche wohl ihre komplexe Gefühlswelt. Sie will stark sein, selbstbewusst und sicher wirken, doch nicht selten wünscht auch sie sich einen Menschen zum Anlehnen und Reden, einfach nur um dessen Nähe zu spüren und ein wenig Frieden in ihr Herz zu lassen.
Doch, will ihr jemand zur Seite stehen, lehnt sie eiskalt ab und verweist darauf, dass sie auch ohne fremde Hilfe zu Recht kommen würde.
Fähigkeiten
Besondere Begabungen hatte Latifa nie, jedenfalls keine, die ihr im Kampfe gegen die Höllenbrut von Vorteil waren. Der geschickte Umgang mit Klingenwaffen ist eher antrainiert, doch ein gewisses Talent besteht darin trotz dieser Tatsache.
Ansonsten ist wohl nur ihre Singstimme nennenswert… und vielleicht auch die an Visionen erinnernden Bilder, die sie als kleines Kind oftmals sah?!
Diese „Gabe“ quälte sie ungemein und mit Glück kann man behaupten, dass diese verhassten Vorahnungen schon lange nicht mehr auftraten.
Vielleicht sollte man auch nennen, dass sie äußerst feinfühlig ist. Latifa versteht es sich in die Lage anderer hineinzuversetzen und versucht stets zu helfen.
Waffen
Zu ihrer Zeit als Jägerin führte sie stets ein Rapier mit sich. Daran hat sich nicht wirklich etwas geändert doch fragt sich die junge Frau manchmal selbst, ob es nicht verrückt sei in diesen Zeiten mit einer solchen Waffe durch die Gegend zu marschieren.
In ihrem linken Stiefel ruht ein fein gearbeiteter Dolch, ein Geschenk ihres einstigen Anführers.
"Eine schöne Waffe, für ein schönes Kind", waren seine Worte gewesen, als er es ihr überreicht hatte.
Das besondere an ihm ist die edle Scheide, welche nicht nur die Klinge bewahrt. In ihr sind zudem unbemerkt ein kleines Messer und ein Pfriem untergebracht.
Des Weiteren besitzt sie eine MK23, zu dieser greift sie jedoch meist nur zu Abschreckung und um sich ein wenig sicherer zu fühlen.
Lebensgeschichte
Latifas Eltern, die unspektakulär Johanna und Andre hießen, lernten sich in jungen Jahren, ebenso unspektakulär, in einem kleinen Café kennen und lieben.
Als sie die Schule beendet hatten, einen Beruf erlernten und auch sonst in eine einigermaßen sichere Zukunft blickten, machte Latifas Vater ihrer Mutter einen wahrlich romantischen Heiratsantrag.
Aus dieser Ehe ging nach einem Jahr ein Sohn hervor, Gabran sein Name.
Der Vater war inzwischen im Außendienst der örtlichen Polizei angestellt und Johanna gerade dabei ein eigenes Hotel, mit Hilfe von Krediten und Unterstützung lieber Freunde und der Familie aufzubauen.
Zwei weitere Jahre zogen ins Land, bis an einem recht milden Sommertag Gabrans Schwester geboren wurde.
Auch ihr Name sollte etwas Besonderes sein, weswegen man sich auf „Latifa“ einigte, welcher aus dem arabischen Raum stammte.
„Rahel“ wurde als Zweitname auf Wunsch ihres Vaters gewählt, zu welchem sie ein besonders gutes Verhältnis entwickelte.
Zwar soll das nicht heißen, dass ihre Geschwister nicht mit ihrem Vater auskamen, doch war diese Vater- Tochter- Beziehung besonders innig und liebevoll.
Das Hotel gewann allmählich große Beliebtheit, auch in den „feinen Kreisen“ und Andre flatterte so manche Gehaltserhöhung und Beforderung ins Haus.
Alles schien perfekt, als nun auch noch ihr drittes Kind, Niewira, auf die Welt kam.
Die nächsten Jahre waren recht ereignislos.
Die Kinder wurden auf gute Schulen geschickt, bis zu dem Tag, an dem das Schicksal einen Schlussstrich unter ihr bisheriges Leben ziehen sollte.
Latifa hatte geglaubt es sei bloß ein Traum gewesen, doch es war einer der vielen die sie bereits erlebt hatte, die das Kommende spiegeln sollten.
Gabran war elf Jahre alt, Latifa neun und Niewira gerade einmal sieben, als ihr Vater starb.
Seine Leiche fand man hinter dem Hotel ihrer Mutter, blutleer.
Kuriose Gerüchte machten die Runde, doch irgendwie konnte man die Presse zum Schweigen bringen.
Zur Überraschung aller machte dies Johannas Hotel nur noch beliebter, welche das Geschäft in stiller Trauer weiterführte. Auch die Kinder schienen den Tod – wenn auch nur sehr sehr langsam – zu verkraften.
Alle, bis auf Latifa.
Der Tod ihres Vaters war für sie unverständlich und nicht hinnehmbar. Er war nicht mehr da! Von einem Moment auf den anderen! Unbegreiflich.
Warum gerade er?
Warum mussten Menschen denn überhaupt sterben? Geboren werden, nur um den langen Weg zurück in den Schlund der Erde zu gehen?!
Ihre Noten sanken in den Keller, was über Jahre hinweg andauerte. Mit fünfzehn hielten dann diverse Drogen Einzug in ihr Leben, nachts blieb sie von zu Hause fern und auf Berührungen regierte sie aggressiv.
Ein wenig später: Die ersten Schnitte an ihren Unterarmen.
Stumme Hilferufe, wonach schien sie selbst nicht wirklich zu wissen, aber etwas fehlte in ihrem Leben. Sie war einfach unglücklich, hatte Todessehnsucht… wünschte sich Erlösung von all diesen schrecklichen Jahren und Dingen, die an ihr vorbeigezogen waren.
Johanna hatte in den letzten Jahren auch schwer gelitten. Das Haar grau von Angst, Sorge und Kummer.
Viele Gespräche und Therapien bei heimischen Psychologen folgten, doch Nichts in der Familie Zola schien sich zu bessern.
Darauf erfuhr sie von einem Internat, welches damit glänzte Problemkinder wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
Eine neue Chance für Latifa?
Sofort war ein Platz reserviert.
Doch, Alles wurde nur noch schlimmer.
Sie fühlte sich von ihrer Mutter verraten und ausgestoßen. Warum tat sie ihr das an? Es war doch schon schwer genug, warum musste sie nun auch noch von zu Hause weg?
Latifa fühlte sich so unverstanden.
Sie gehörte nicht zu diesen Kindern! Sie war nicht krank! Oder was war so schlimm daran, dass man an dem Tod seines Vaters zu nagen hatte?
Suizidversuch nach Suizidversuch, Tablettenmissbrauch und so manche Schlägerei; Latifa war ein seelisches Frack.
Für Lehrer und Erzieher schien ihr aufkommendes Interesse für Vampire nur noch ein weiteres schlechte Zeichen zu sein.
In der Musik suchte sie Ruhe und bald förderten ihr Internat und die angebundene Schule ihr Talent. Doch all dies konnte nicht über das Geschehene hinwegtrösten und diese Mauern, die sie so einengten, so fern von der Heimat, machten es auch nicht leichter.
Sie wusste nur noch eins: Sie wollte raus! Raus aus diesem Gefängnis!
Die Nacht kam, alles ruhte, als Latifa mehr oder weniger ausbrach. Doch wohin nun?
Sie schlief in Gassen, Treppenhäusern und suchte tagsüber Schutz in Gotteshäusern. Ihr Glaube hatte schwer gelitten doch half er ihr sehr beim Überstehen dieser schrecklichen Zeit. Er blühte regelrecht auf, unauslöschbar so schien es.
Es war ein eiskalter Dezembertag, als sie sich müde auf eine der hölzernen Kirchenbänke sinken ließ. Die Menschen schienen so kurz vor Weihnachten noch glücklicher. Doch dieser Gedanke wurde schnell unwichtig, als ihr ein Mann ins Auge fiel. Schön war er, mit dunkeln schulterlangen und lockigem Haar.
Der Herr bemerkte die nicht gerade unauffälligen Blicke jedoch und begann sie grinsend zu mustern.
Ja, sie sah schrecklich aus, dass wusste Latifa selbst.
Er ging an ihr vorbei, nein, er wollte es, nahm dann jedoch neben dem jungen Mädchen Platz.
„Was tust du hier?“
Ein schräger Blick, dann wanderten die Augen Latifas zu dem Kruzifix, dass an dem Mittelschiff der Kirche angebracht war.
„Was tun sie denn hier?“, fragte sie sichtlich herausfordernd, jedoch mit einem sehr kindlichen Unterton.
„Beten, bitten, um Gnade flehen.“ Seine Antwort wirkte nicht gerade ernst, denn das Grinsen wollte nicht von seinen Zügen weichen. „Aber du… warum bist du allein hier, Kind?“
Zu ihrem eigenen Entsetzen hatte die schlimme Zeit Latifa nicht abgehärtet, denn das Bild vor ihren Augen verschwamm im Tränenmeer, als sie an ihr zu Hause dachte.
Das Gespräch der Beiden dauerte lange an und die junge Frau erzählte viel, selbst wenn dieser Herr ihr ein Fremder war. Ihm gegenüber spürte sie bald eine Verbundenheit, war sich sicher, dass er sie verstand und seine Anwesenheit wirkte wunderbar wohltuend.
Oftmals begegneten sie sich noch im selbigen Gotteshaus, bis er ihr einen Zettel zusteckte, seine Adresse war darauf in schwungvollen Buchstaben geschrieben. Zwar hatte sie es anfangs nicht gewagt wirklich darauf einzugehen, doch später folgte sie der Einladung letztendlich doch.
Ein schöner Altbau, mit einem großen Hinterhof war es gewesen. Er hatte ihr lächelnd die Tür geöffnet, damit sie hatte eintreten können.
Er bewirtete eine völlig Fremde, was Latifa zwar nicht verstand, aber es damit abtat, dass er das Gesetz der Nächstenliebe sehr ernst nahm.
Es folgte ein langes Gespräch, wie es schon so viele in der Kirche gegeben hatte. Und irgendwann diese schicksalhafte Frage: „Glaubst du an das Übersinnliche? An verborgene Mächte?“
In seinen Augen musste sie etwas Besonderes gewesen sein, ein Mädchen das es wert war und das er bei sich haben wollte, denn nicht mehr lange hatte es gedauert und Latifa hatte alles über den Mann, welcher sich als Diego vorgestellt hatte, erfahren.
Ein merkwürdiger Zirkel von Vampirjägern, Kriegern im Namen Gottes und sie war gerade im Begriff eine von ihnen zu werden.
Doch, sollte sie dies alles glauben? Es war einfach unglaublich!
Ein Gedanke glitt zu ihrem verstorbenen Vater. Blutleer war er gewesen… Nein, es war verrückt! … oder nicht? Die Zweifel wichen langsam, ganz langsam.
So geschah es und eine aufregende Zeit folgte:
Sie lernte viel über die Kaniten, die Mittel sie zu bekämpfen und war dabei auch noch mit den ‚Huntern’ auf der Reise, quer durch Europa.
Als sie das erste Mal dabei war, wie einer dieser Bestien leblos zu Boden ging fühlte sie eine gewisse Genugtuung. Die merkwürdigen Gerüchte um den Tod ihres Vaters waren also wahr, für sie gab es daran keinen Zweifel mehr.
Es gab Vampire!
Von nun an war sie Feuer und Flamme für die Jagd.
Die anderen Jäger begannen sie „Klagende Lilie“ zu nennen. Solche Namen waren bei ihnen nichts Seltenes und zeugten nur von dem Respekt, den sie sich verdient hatten.
Es war eine Anspielung auf die Bedeutung ihres Namens. Sie sollte die Reinheit in den dunklen Zeiten sein: Die weiße Lilie, welche die Schatten vertreibt.
Latifa zollte man diesen Respekt jedoch nicht wegen ihren Taten, denn ohne Begleitung ließ Diego sie aus Sorge kaum noch allein fort, sondern wegen ihres Mutes und der Leidenschaft, mit der sie an ihr Werk ging.
Alles in Allem behandelten die meisten der Jäger sie sehr liebevoll und legten ihre rauen Seiten ab, wenn sie mit ihr umgingen.
Nur die Narben, aus ihrer traurigen Vergangenheit, die auf ihrer Seele lagen wollten nicht heilen. Noch immer griff sie zur Klinge, war mental sehr schwach. Schnell begann sie zu weinen und reagierte auch bei kleinen Dingen empfindlich. Doch es schien sich zu bessern.
Mit jedem endgültig toten Vampir spürte Latifa eine ungeheuere Genugtuung. Zu dem Anführer der Gruppe hatte sie bald ein fast väterliches Verhältnis und eine Heimkehr – selbst wenn sie sich nach ihrer Mutter und den beiden Geschwistern sehnte – kam gar nicht in Frage. Dies, so war sie sich sicher, war ihre Berufung! Ihr Handwerk!
Bis… ja bis sie aus diesem Traum erwachte…:
Ächzend schlug sie die Augen auf. Der Regen trommelte auf ihren, von blauen Flecken übersäten Körper, und von der Schläfe rann das Blut. Was war passiert? Was hatte man mit ihr bloß angestellt? Wer trug hieran Schuld? Fast schon panisch verzweifelt war sie. Auf Passanten wirkte sie jedoch wohl eher wie eine Irre oder Betrunkene, denn sie blickten nur kurz auf sie herab, bevor sie weiterliefen und ihre Missbilligung durch ein Kopfschütteln Kund taten.
Doch noch etwas stimmte nicht. Es kam ihr vor, als wären ihre Gedanken ausgewischt worden. Stöhnend setzte sie sich auf und betastete die Wunde. Wie kam sie nur hier her? Was war passiert? Wie ein ständiges Echo, das nicht aufhören wollte, dröhnte es in ihrem Kopf, in ihren Gedanken. Verbissen die Schmerzen unterdrückend blickte sie um sich und sah eine alte Zeitung auf dem Boden liegen.
"Amerika? Ich bin in Amerika?", die groß gedruckten Schlagzeilen schienen ihr die Antwort zu geben. Aber sie konnte sich nicht erinnern, je nach Amerika gekommen zu sein. War sie nicht erst noch in der alten Kirche gewesen, kurz nach dem sie vom Internat verschwunden war? Aber das war nicht möglich, es war mehr geschehen, sie war viel älter und das war ihr auch bewusst und dennoch konnte sie sich nicht daran erinnern, wo sie die letzten Jahre verbracht hatte, was sie getan und erlebt und wen sie getroffen hatte. Nichts. Alles weg.
Die Wunde an ihrem Kopf ließ den Schluss zu, dass sie überfallen worden war und der Schlag auf den Kopf einen Teil ihres Gedächtnisses einfach ausgelöscht hatte. Das war das einzige, dessen sie sich annähernd sicher sein konnte. Oder war sie irgendwo rein geraten? Sagte ihr Gefühl nicht, dass da noch mehr gewesen war? Sie wusste es nicht, wusste nicht wo sie wohnte und auch nicht, an wen sie sich wenden könnte.
Sie hatte schreckliche Angst, doch Hilfe wollte sie nicht fordern. Warum war ihr selbst nicht ganz klar. In einem Krankenhaus wurden Fragen gestellt, doch wusste sie denn, ob sie nicht in irgendwelche Machenschaften verwickelt gewesen war und sollte sie sich erinnern, war sie dann nicht vielleicht in Lebensgefahr? Was würden die Ärzte tun, wenn sie sie vielleicht im Schlaf sprechen hörten? War sie überhaupt fähig in Machenschaften zu geraten? Langsam nahm die Verwirrung zu und sie schloss für einen Augenblick die Augen. Nein, ins Krankenhaus oder zur Polizei wollte und konnte sie nicht gehen. Sie musste selbst herausfinden, was geschehen war. Vielleicht war es auch nur eine vorübergehende Amnesie. Ganz sicher war sie nur vorübergehend. Mit diesem Gedanken rappelte sie sich zuversichtlich hoch. Ihr Kopf dröhnte und sie lehnte sich stützend an die Wand hinter sich und senkte den Kopf, als sie das hübsche, reich verzierte Kreuz an ihrem Hals entdeckte.
Sie runzelte leicht die Stirn und legte es auf ihre Handfläche um es besser betrachten zu können. Sie konnte sich an ihre Herkunft und ihre Geschichte erinnern, wusste wer sie war und was sie gerne tat oder hatte, gerne las oder welche Musik sie mochte. Aber sie wusste nichts von den letzten Jahren und auch nicht, dass sie ein Kreuz trug. War sie in den letzten Monaten vielleicht gläubig geworden? War es ein Geschenk von jemandem? Woher hatte sie es und was hatte sie damit verbunden? Es war schon fast peinlich, sich die Frage stellen zu müssen, ob sie gläubig war, was sie noch um einiges mehr verwirrte.
Sie ließ das Kreuz wieder sinken und spähte aus der Gasse zur Strasse hin. "Wohin?", sie holte noch einmal Luft und stieß sich vorsichtig von der Wand ab. Das Schwindelgefühl wurde sichtlich besser und sie wankte nur noch kurze Zeit. Erst einmal aus der Stadt. Irgendwohin, wo es ruhiger ist als hier…, gab sie sich kurz darauf die Antwort, als sie die vielen Menschen auf dem großen Platz entdeckte. Vielleicht würde sie dann auf klarere Gedanken kommen, und auch wenn die Erinnerung nicht zurück kam in der nächsten Zeit, so musste sie zumindest für sich feststellen und herausfinden, was die nächsten Schritte waren. Wenn sie ein neues Leben beginnen musste, weil sie zu ihrem alten nicht zurückfand, dann musste es eben so sein...